Chronische Darmentzündung beim Hund

Chronische Darmentzündung beim Hund

Wenn die klassische Diagnostik im Dunkeln tappt

IBD: Weit verbreitet, aber oft nicht erkannt

In der ganzheitlichen Tierpraxis sind Hundepatienten mit wiederkehrenden Verdauungsstörungen an der Tagesordnung. In beunruhigendem Maße werden vor allem jene Patienten immer häufiger vorstellig, bei denen die bisherige Diagnostik und Therapie völlig ergebnislos blieb: Hunde, die durch Phasen ausgesprochener Mäkeligkeit und völliger Appetitlosigkeit auffällig werden. Hunde, die ihre Besitzer nachts in Aufruhr versetzen, weil sie hechelnd durch die Wohnung stapfen und alle verfügbaren Textilien belecken und benagen. Hunde, die seit langer Zeit keinen normalen Kot mehr abgesetzt haben, sondern zwischen stinkendem Durchfall und Verstopfung wechseln. Eine mögliche Ursache hierfür: Die chronische Darmentzündung – eine weit verbreitete Erkrankung, die ein breites Spektrum an Symptomen aufwirft. Und gut behandelbar ist, wenn man ihre Ursache versteht.

Bei der chronischen Darmerkrankung oder auch IBD (engl. Inflammatory bowel disease) handelt es sich um ein komplexes Entzündungsgeschehen der Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt. Aufgrund ihrer wechselhaften und unspezifischen Symptomatik wird sie beim Hundepatienten häufig erst spät diagnostiziert – zumeist nach umfangreichen therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen, an deren Ende die IBD als Ausschlussdiagnose steht.

Vielschichtige Symptome

Die chronische Darmentzündung tritt in drei Formen auf – als Entzündung des Dickdarms (Colitis), als Entzündung des Dünndarms (Enteritis) oder als Mischform, der sog. Gastroenteritis. Welche Symptome der Hundepatient konkret zeigt, ist davon abhängig, welche Darmstrukturen betroffen sind. 

Bei der Dickdarmentzündung (Colitis) leidet der Hund häufig unter Blähungen und einem aufgetriebenen Abdomen. Sein Kot ist häufig von sehr wechselhafter Konsistenz, unter Umständen können blutige und schleimige Beimengungen zu sehen sein. Sämtliche klassische Therapieversuche wie Darmaufbau, Schonkost und Antibiosen zeigen bei diesen Patienten allenfalls kurzzeitige Wirkung, ehe die Problematik in derselben oder in einer verschärften Symptomatik wiederkehrt.

Bei der Dünndarmentzündung hingegen ist die Symptomatik gänzlich auf den Magen verlagert: Der Hund zeigt sich wählerisch hinsichtlich seines Futters, nimmt bei den Spaziergängen vermehrt Gras und Erde auf, er speichelt viel in den Fresspausen und stößt auf. Die Kotkonsistenz kann bei der Enteritis völlig unauffällig sein.

Ursachenforschung – häufig ein Puzzlespiel

Hund Darmentzündung Grasfressen


Die chronische Darmentzündung (IBD) ist weniger eine eigenständige Erkrankung als vielmehr ein Symptomenkomplex, hinter dem sich vielschichtige Ursachen verbergen können. So sind Hunde der Rassen Shar-Pei, Deutscher Schäferhund und Boxer besonders anfällig für therapieresistente, entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts.

Eine wichtige Rolle für die Entstehung der IBD spielt die Darmflora: Gerät sie aus dem Gleichgewicht, etwa durch anhaltende Fütterungsfehler, konventionelle Wurmkuren und wiederholte Antibiosen, so haben Parasiten wie Giardien und Kokzidien sowie pathogene Keime wie Salmonellen, Campylobacter leichtes Spiel. Sie verursachen Reizzustände auf den Schleimhäuten des Magen-Darm-Trakts – unzureichend behandelt, können diese am Anfang einer Entzündungskaskade mit weitreichenden Folgen stehen.

Erkrankungen insbesondere der Bauchspeicheldrüse können die Entstehung einer chronischen Darmentzündung ebenfalls begünstigen.

Am häufigsten jedoch werden jene Patienten in der ganzheitlichen Praxis vorstellig, deren Darmentzündung iatrogene Ursachen hat – sprich die IBD entwickelte sich in Folge einer Antibiose, nach der Einnahme von Schmerzmitteln, klassischen Wurmkuren oder oral verabreichten Mitteln zur Abwehr von Hautparasiten. Häufig treten erste Symptome bereits nach der Einnahme des Medikaments auf; vom behandelnden Therapeuten wird hier Weitsichtigkeit gefordert und die Fähigkeit, kausale Schlüsse zu ziehen und entsprechend vorzugehen. Eine simple Therapie auf Magen-Darm-Infekt, die Verordnung von Schonkost oder im schlimmsten Falle eine neuerliche Antibiose kann in diesem Fall den Krankheitsprozess noch beschleunigen.

Chronische Darmentzündung und Ernährung

Die tägliche Fütterung hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Darmgesundheit unserer Hunde. Ernähren wir unseren Hund artwidrig mit hochverarbeitetem Futter, das einen hohen Gehalt an Kohlenhydraten und pflanzlichen Inhaltsstoffen und im Gegenzug nur einen geringen Anteil wertvoller tierischer Zutaten hat, so legen wir den Grundstein für die Entstehung von chronischen Magen-Darm-Erkrankungen.

Nicht nur in der Prophylaxe, auch in der Therapie der wiederkehrenden Verdauungsstörungen hat sich der Wechsel zu einer selbst zubereiteten, ausgewogenen Ernährung bewährt. Der betroffene Tierhalter sollte in diesem Zusammenhang den Gang zu einem ausgebildeten Ernährungsberater nicht scheuen, da dieser ihn in allen Fragen und Schritten der Futterumstellung begleiten, die entsprechenden Rationen berechnen und gegebenenfalls therapeutisch unterstützend mit Kräutern und anderen Nahrungsergänzungsmitteln arbeiten kann.

Untersuchungen zeigen, dass bei einem Großteil der Hundepatienten, die in der ganzheitlichen Tierpraxis oder auch in der ganzheitlichen Ernährungspraxis vorstellig werden, die Ernährung einen gravierenden Anteil an der Entstehung und an der Unterhaltung chronischer Reiz- und Entzündungszustände im Magen-Darm-Trakt trägt. Die Fütterung mit in das individuelle Therapiekonzept des Patienten mit einzubeziehen, sollte hier unerlässlich sein.

Krankheitsverlauf der chronischen Darmentzündung

IBD beginnt meist mit milden körperlichen Symptomen und unverändertem Allgemeinbefinden: Die Halter bemerken vermehrtes Grasfressen ihres Hundes, womöglich wiederkehrendes Schmatzen und Hecheln, das anfallsweise auftritt (licky fits). Änderungen im Fressverhalten sind bei Tieren mit einer latenten Futtermittelunverträglichkeit zu finden: Sie sind ganz wild auf ein neues Futter, haben sich aber irgendwann „abgegessen“, werden mäkeliger und verweigern ihre Mahlzeiten irgendwann – bis der Halter sich um ein neues Futter bemüht und das Spiel von vorne beginnt.

Andere Hunde entwickeln stark riechende Blähungen und Darmgeräusche, setzen häufiger als sonst Kot ab. Der Kot wechselt in Konsistenz und Farbe, mal erscheint er sehr dunkel, dann wieder mit Schleim durchsetzt. Meistens sind es die blutigen Beimengungen, Ausdruck heftigster Reizzustände der Schleimhäute, die den Tierhalter zum Arzt bringen.

Die unspezifischen Verdauungsproblematiken werden in den meisten Fällen als banaler Magen-Darm-Infekt behandelt – mit Schonkost, Pulvern und Pasten zur Darmsanierung, mit industrieller Spezialdiät, mit Magenschutz (Protonenpumpenhemmern), wochenweisen Antibiosen und womöglich mit Cortison. Jedoch bringt diese Form der Therapie nur kurzzeitig Besserung, ehe die Problematik neu aufflammt oder sich womöglich noch verschlimmert.

Diagnose der IBD: Odyssee für Hund und Halter


Die Diagnose IBD kann erst nach einer umfassenden Diagnostik erfolgen, da ihre Symptomatik zu unspezifisch ist und der Anamnese in einer klassischen Tierarztpraxis oftmals zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Zu den notwendigen diagnostischen Schritten zählen:

  • Kotscreening

Zum Ausschluss von Parasiten (Würmer jeglicher Art) und Einzellern wie Giardien und Kokzidien; es sollte großer Wert darauf gelegt werden, dass auch andere Parameter untersucht werden, u.a.:

  • Qualität der Darmflora
  • Nachweis von Verdauungsenzymen (Pankreatische Elastase)
  • Nachweis von Pilzen
  • Nachweis von pathogenen Keimen (z.B. Salmonellen, Campylobacter)
  • Zonulin-Wert
  • Blutuntersuchung (Blutstatus und -chemie)

Zum Ausschluss zugrundeliegender systemischer Erkrankungen (z.B. Pankreatitis = Bauchspeicheldrüsenerkrankung). Folgende Parameter können bei Vorliegen einer IBD erhöht sein:

  • CRP
  • Neutrophile Granulozyten
  • Eosinophile Granulozyten
  • Bauchspeicheldrüsenwerte
  • Leberenzyme
  • Glukose

Weitere mögliche Abweichungen u.a.:

  • Albumingehalt zu niedrig
  • B12 / Folsäure abweichend
  • Bildgebende Verfahren (Röntgen, Ultraschall) geben Aufschluss darüber, inwieweit die Darmwände entzündlich verdickt sind, ob angrenzende Lymphknoten vergrößert sind und ob Umfangsvermehrungen im Magen-Darm-Trakt sichtbar sind (Tumoren, Polypen)
  • Endoskopie und Biopsie: zur Entnahme von Gewebe und zytologischen Untersuchung des Krankheitsgeschehens (Untersuchung entnommener Zellproben)

Schulmedizinische Therapie der chronischen Darmentzündung

In der klassischen Veterinärmedizin erhält der IBD-Patient zumeist eine Kombinationstherapie aus einem Antibiotikum und einem Cortisonpräparat. Viele Tierärzte ordnen industrielle Spezialfuttermittel an, entweder in Form einer hochverdaulichen Schonkost oder aber in Form einer hypoallergenen Diät bei Verdacht auf Futtermittelunverträglichkeit. Bei ausgeprägter Magensymptomatik mit Appetitlosigkeit und Erbrechen kommen meist Protonenpumpenhemmer als Magenschutz zum Einsatz.

Ernährungstherapie bei IBD


Die Bemühungen des ganzheitlichen Therapeuten gehen dahin, die Entstehung der Erkrankung nachzuvollziehen und ggf. unterhaltende Faktoren aus der Ernährung und der Lebensweise des Hundes zu eliminieren.

Die Ernährung sollte hierbei, wie bereits angeführt, eine zentrale Rolle spielen: Bewährt haben sich Ausschlussdiäten auf Basis von selbstzubereiteter Nahrung, die dem Patienten konsequent über einen Zeitraum von 10-12 Wochen verfüttert werden. Eine Ausschlussdiät bedeutet, dass das therapeutische Ernährungskonzept des Hundes auf einer bislang für ihn unbekannten Fleischsorte basiert, die mit den entsprechenden Zusätzen zu einer ausgewogenen Ernährung vervollständig wird. Dies soll die überschießende Immunreaktion wieder in geordnete Bahnen lenken und so die Entzündungskaskade unterbrechen, in der der IBD-Patient gefangen ist. Der Magen-Darm-Trakt erhält so die Möglichkeit, sich zu erholen; zugleich wird der Hund mit allen Nährstoffen versorgt, die er in seiner Rekonvaleszenz benötigt.

Folgende Nahrungsergänzungsmittel können hilfreich sein (bitte stimmen Sie dies mit Ihrem behandelnden Therapeuten ab. Die Behandlung eines IBD-Patienten sollten Sie nicht in Eigenregie vornehmen):

  • Omega 3-Fettsäuren sind hilfreich aufgrund ihrer antientzündlichen Eigenschaften.
  • Kokosöl hat Studien zufolge eine heilungsfördernde Wirkung bei entzündlichen Darmerkrankungen.
  • Huminsäuren helfen bei der Regulation der Darmflora und wirken Reizzuständen im Magen-Darm-Trakt entgegen.
  • Zeolith schützt die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts und reguliert die Ausschüttung des Entzündungsmediators Histamin im Körper. Es besitzt darüber hinaus gute toxinbindende Eigenschaften.
  • Flohsamenschalen haben einen regulierenden Effekt auf die Darmbewegungen, regulieren den Kotabsatz und nähren aufgrund ihrer präbiotischen Eigenschaften die Darmflora.
  • Gemahlene Ulmenrinde / Slippery Elm Bark beruhigt insbesondere den gereizten Darm des Tieres und hilft in Phasen von Übelkeit und Sodbrennen.

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